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Anna Kauert Interkulturelle Seminare und Beratung

Interkulturelle Führungskompetenz – Unterschiedliche Denkmuster

Missverständnisse vorprogrammiert

Nicht nur im Ausland, auch hier vor Ort ist interkulturelle Zusammenarbeit längst zur Regel geworden – das ist eines der Geschenke der Globalisierung. Im Alltag wird dabei jedoch allzu oft vergessen, dass Menschen unterschiedlicher Kulturen die Welt buchstäblich mit anderen Augen sehen. Damit stehen Sie als Führungskraft vor besonderen Herausforderungen, denn es ist an Ihnen, alle und alles unter einen Hut zu bekommen: Verschiedene Denkmuster, unterschiedliche Auffassungen über angemessenes Führungsverhalten und gemeinsame Ziele…

Fragen, mit denen wir in unserer Beratung besonders häufig konfrontiert werden, sind die folgenden:

  1. Wie gehen wir mit unterschiedlichen interkulturellen Erwartungen an die Führungskraft um?
  2. Wo liegen die hauptsächlichen Gründe für Missverständnisse und wie kann eine Lösung aussehen?

Anweisungen missverstehen – ein Beispiel

In dem folgenden Auszug einer Konversation eines amerikanischen Managers und griechischen Mitarbeiters wird deutlich, wie entsprechende Verhaltensweisen zu völlig unterschiedlichen Annahmen führen können.

  • Der amerikanische Vorgesetzte 
    sagt: „Wie lange wird es dauern, bis Sie den Bericht fertig haben?“
    Er meint damit: Ich lade ihn ein, seine Meinung zu äußern und zu partizipieren.
  • Der griechiche Mitarbeiter
    denkt: Warum fragt er mich das? Er ist doch der Boss. Warum sagt er mir das nicht?
    er sagt: „Ich weiß nicht. Wie lange soll es denn dauern?“
    und meint damit: Ich habe ihn um eine Anweisung gebeten.
  • Der Amerikaner
    denkt: Er will keine Verantwortung übernehmen.
    Er sagt: „Das können Sie selbst am besten beurteilen.“
    und meint damit: Ich dränge ihn Verantwortung zu übernehmen.
  • Der Grieche
    denkt: Was für ein Unsinn. Ich gebe ihm am besten irgendeine Antwort.
    und sagt: „10 Tage“
  • Der Amerikaner
    denkt: Er kann den Zeitaufwand überhaupt nicht abschätzen. Dieser Vorschlag ist absurd.
    und sagt: „Sagen wir 15 Tage. Ist das in Ordnung?“
  • Der Grieche
    denkt: Das ist mein Befehl. 15 Tage.

Zusammengestellt nach Keller (1982, S. 3 ff.; Bosch, 2006, S.40, Rothlauf 1999, S.110)

Das angeführte Beispiel hat ansatzweise deutlich gemacht, wie schnell es zu Missverständnissen aufgrund unterschiedlicher Erwartungshaltungen gegenüber der Führungskraft kommen kann.

Genau hier versteckt sich eine der schwierigsten und häufig unterschätzten Herausforderungen mit internationalen MitarbeiterInnen. Wie gelingt es, den im Stammhaus praktizierten Führungsstil an verschiedene Erwartungshaltungen anzupassen?


So klappt es mit der interkulturellen Kommunikation

Schätzen Sie sich selbst ein: Zu welchem Kulturtyp gehören Sie?

Der britische Linguist und Kommunikationsforscher Richard Lewis unterteilt grob in drei Kulturkategorien, die jeweils unterschiedliche Auswirkungen auf wesentliche kulturelle Dimensionen wie Zeitverhalten, Kommunikation und Kooperation haben. Das Modell eignet sich sowohl als Reflexionsrahmen wie auch zur Selbsteinschätzung.

Lewis Modell

Was sind Lewis Kernaussagen?

  • Manager in linear-aktiven Kulturen beispielsweise ziehen Fakten, bloße Meinungen und Logik den Emotionen vor. Sie sind ergebnisorientiert und halten sich gerne an Tagesordnungen. Technische und sachliche Kompetenz ist wichtiger als Beziehungskompetenz.
  • Multiaktive Manager sind beziehungsorientiert, verlassen sich auf ihre Überzeugungsfähigkeit und nutzen Charisma als einen inspirierenden Charakter.
  • Manager in reaktiven Kulturen dominieren durch Wissen, Geduld und stille Kontrolle. Sie sind gute Zuhörer, höflich und vermeiden Konfrontationen.


So können Sie das Modell nutzen

Reflektieren Sie das Modell im ersten Schritt für sich:
Wo ordnen Sie sich ein? Empfinden Sie Ihre eigene Kultur als passend zugeordnet? Mit welchen Kulturen haben Sie bereits Erfahrungen gemacht?

Präsentieren Sie das Modell im zweiten Schritt auch Ihrem interkulturellen Team und initiieren Sie einen Austausch. Fragen Sie die Teammitglieder, wo sie sich sehen.

Diskutieren Sie auch darüber, dass keine Kategorie „so ist“, sondern dass die Kategorien Prozessdynamiken beschreiben, wie Menschen sich in bestimmten Situationen verhalten.



Wertschätzung als Einstieg in das interkulturelle Team

Bereiten Sie Ihre Mitarbeiter auf die Unternehmenskultur in Ihrem Unternehmen vor und beginnen Sie den internationalen Teamprozess mit Wertschätzung, persönlichen Impulsen und einem Erfahrungsaustausch.

Hier finden Sie eine kurze Anleitung für ein erstes Kennenlernen im internationalen Team

  1. Jeder bekommt einen Post-it-Zettel mit seinem Namen in der Mitte geschrieben und an den vier Ecken sein Hobby, seine Sportart, sein Lieblingsland und sein Lieblingsessen. Beginnen Sie mit dieser Übung während einer Kaffeepause und schaffen Sie so eine lockere Atmosphäre. Lassen Sie dem Team ausreichend Zeit, damit jeder Gemeinsamkeiten feststellen kann.
  2. Nach einer kurzen Vorstellungsrunde wird die Gruppe (je nach Gruppengröße) in Kleingruppen aufgeteilt und gebeten, Teamwork zu definieren.
  3. Sobald die Gruppen ihre Definition erstellt haben, werden sie gebeten, nicht mehr zu sprechen und wortlos ihre Definition auf dem Flipchart zu visualisieren. Das Erstellen des Bildes muss ohne Sprache gemeistert werden.

Absicht der Übung ist zu zeigen, dass Menschen, die nicht die gleiche Sprache sprechen und Kultur aufweisen, in der Lage sind, komplexe Sachverhalte zu kommunizieren. Das erfolgreiche Ergebnis steigert das Vertrauen der multikulturellen Gruppen und dient zugleich als Vorarbeit, sich auf Teamregeln zu einigen.



Verständnis schaffen

Stellen Sie sicher, dass Sie in der Sprache verstanden werden. Fragen Sie häufig nach. Aktives Zuhören, das Ihnen aus anderen Kommunikationskontexten bereits vertraut ist, ist ein „must“ in interkulturellen Teams.



Neugier & Spiel im interkulturellen Kontext

Wie gut Sie mit Ihren internationalen MitarbeiterInnen oder Führungskräften umgehen können, hängt letztendlich von Ihnen ab. Stellen Sie sich vor, Sie dürfen noch einmal Kind sein und sind neugierig und unvoreingenommen gegenüber allem, was Sie nicht kennen.

Betrachten Sie Ihr Internationales Management als einen Spielplatz, auf dem man jeden Tag Neues entdecken darf. Dabei kommt es zu Freude, Erstaunt-Sein, Missverständnissen, Wut und Lernerfolgen. Alles ist erlaubt und nichts wird als richtig oder falsch gewertet.

Packen Sie Toleranz, Höflichkeit, Flexibilität, Neugierde und kulturelles Wissen ein. Wenn es zu einem Missverständnis kommt, versuchen Sie es zu verstehen und nicht darüber hinwegzugehen.

Ich wünsche Ihnen viel Freude beim Experimentieren und Entdecken! Und wenn Sie Lust haben, mehr zum Thema zu erfahren, sind Sie herzlich eingeladen, am kostenfreien Schnupperabend „Die Kunst, alle unter einen Hut zu bekommen“ am 14.06.2017 mit Anna Kauert teilzunehmen.

Herzlichst Ihre
Anna Kauert

Author: Anna Kauert